Montag, 13. Juni 2011

Darf ein Verlustabzug versagt werden? / Die bösen Fallen der Umkehr der Steuerschuldnerschaft (§ 13 b UStG)

1. Darf ein Verlustabzug versagt werden?

Immer wieder versuchte der Gesetzgeber die Verlustverrechnung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft ganz oder teilweise zu verhindern, wenn auf der Ebene der Gesellschafter Veränderungen eintraten. Das ist verständlich, wenn man einmal folgenden Extremfall betrachtet, bei dem die Kapitalgesellschaft einen Verlust in Höhe des Stammkapitals ausweist, so dass sich die Bilanzsumme dieser Kapitalgesellschaft auf 0,00 EURO reduziert. Nun werden alle Anteile verkauft. Der Käufer beabsichtigt, über seine „neue“ GmbH ertragreiche Geschäfte abzuwickeln und die neu entstehenden Gewinne mit den Altverlusten zu verrechnen. Der Wert der Anteile ließe sich in diesem Fall an der Ertragsteuerersparnis festmachen. Die beträgt derzeit rund 30 % der verrechenbaren Verluste. Den hier geschilderten Fall nennt man „Mantelkauf“.

Man ist natürlich geneigt festzustellen, dass das nicht gerecht sein kann, weil die Leistungsfähigkeit der „Alt-Kapitalgesellschaft“ nichts mit der Leistungsfähigkeit der „Neu- Kapitalgesellschaft“ zu tun hat. Die gleichmäßige Besteuerung aller Steuerpflichtigen nach ihrer Leistungsfähigkeit ist aber verfassungsrechtlich geschützt. Dazu gehört grundsätzlich auch die Verrechnung von Verlusten über Periodengrenzen hinweg. Das BVerfG bezeichnet dies den Grundsatz des abschnittsübergreifenden Nettoprinzips.

An diesem Grundsatz muss sich auch der Gesetzgeber orientieren, wenn er den Missbrauch der Verlustverrechnungsmöglichkeit durch einen Mantelkauf verhindern will. Der derzeit im § 8c KStG geregelte Verlustabzug bei Körperschaften hat schon eine schon beachtliche Geschichte. Die Regelungen dazu waren in der Vergangenheit allerdings höchst unterschiedlich. Diese darzustellen, erübrigt sich an dieser Stelle. Derzeit gilt die Regel, dass die Verlustübernahme vermindert bzw. ganz ausgeschlossen wird, wenn mehr als 25 % bzw. mehr als 50 % der Anteile veräußert werden.

Das allerdings hält das Finanzgericht Hamburg für nicht verfassungsgemäß. Mit dem Beschluss vom 4.4.2011 – 2 K 33/10 „ist der Senat der Überzeugung, dass § 8c S. 1 KStG insoweit gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, als bei der unmittelbaren Übertragung von mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals einer Körperschaft an einen Erwerber insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar sind“. Diese Überzeugung wurde ausführlich begründet, hat aber noch keine direkten Auswirkungen. Die Befugnis, eine Regel für verfassungswidrig zu erklären, hat nur das BVerfG. Deshalb hat das FG die Prüfung des § 8c KStG diesem Gericht vorgelegt.

Für jeden, dem der § 8c KStG einen Verlustabzug versagt, bietet sich mit dieser Vorlage die Chance, eine Verlustverrechnung durchzusetzen, sofern im konkreten Fall noch keine Bestandskraft eingetreten ist. Sprechen Sie gegebenenfalls mit Ihrem Steuerberater.

2. Die bösen Fallen der Umkehr der Steuerschuldnerschaft (§ 13 b UStG)

Derzeit häufen sich bei mir Anfragen zur umsatzsteuerlichen Beurteilung von Sachverhalten, auf die die Umkehr der Steuerschuldnerschaft (Reverse Charge) gemäß § 13 b UStG anzuwenden ist. Der Anwendungsbereich dieses Verfahrens wird zunehmend vom Gesetzgeber ausgedehnt. Immer wieder, wenn ich um „Reparatur“ gebeten werde, überrascht es mich, wie viele Unternehmen dies gemeinsam mit ihrem Steuerberater nicht beachten. Deshalb möchte ich die Thematik an dieser Stelle aufgreifen und das Problem kurz skizzieren:

Im Grunde ist das Netto - Allphasen Umsatzsteuersystem mit Vorsteuerabzug recht simpel.

Erbringt ein Unternehmer eine steuerbare und steuerpflichtige Lieferung oder Leistung, so schuldet er dem Fiskus die darauf entfallende Umsatzsteuer. Der die Leistung empfangende Unternehmer, also ein anderer Steuerpflichtiger, kann diese Umsatzsteuer grundsätzlich als Vorsteuer vom Finanzamt zurückerstattet bekommen. Innerhalb der Unternehmerkette bleibt die Umsatzsteuer also völlig belastungsneutral. So weit, so gut.

Das ändert sich dann, wenn der Leistungserbringer seine Umsatzsteuerschuld gegenüber dem Fiskus nicht begleicht und der Leistungsempfänger die Vorsteuer zieht. Dann hat der Fiskus einen Schaden in Höhe der nicht abgeführten Umsatzsteuer. Nicht selten geschieht das in Absprache mit dem Leistungsempfänger. Hierbei handelt es sich um Umsatzsteuerbetrug, der sich z.B. in Form des sogenannten Umsatzsteuerkarussells realisiert. Ein solcher Betrug soll in besonders betrugsanfälligen Konstellationen dadurch verhindert werden, dass der Leistungsempfänger, abweichend vom Normalfall, die Umsatzsteuerschuld des Leistenden begleicht. Da dann Steuerschuld und Vorsteuerabzug beim selben Unternehmer anfallen, ist ein Betrug ausgeschossen.

Diese besonderen Konstellationen sind im § 13 b UStG aufgeführt. Dazu zählen z.B. Werklieferungen oder sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmens, Bauleistungen an einen Bauunternehmer, Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, Lieferung von Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte durch im Ausland ansässige Unternehmer, Übertragungen von Emissionszertifikaten, Lieferungen von Industrieschrott, Altmetallen und sonstigen Abfallstoffen, Reinigung von Gebäuden u.s.w.

In all diesen Fällen schreibt der Leistende eine Rechung ohne Umsatzsteuer und der Empfänger der Leistung meldet die auf ihn überwälzte Steuerschuld bei seinem Finanzamt an (USt- Voranmeldung Zeile 50). Gleichzeitig kann er hieraus den Vorsteuerabzug geltend machen (USt- Voranmeldung Zeile 58). Eine Zahllast entsteht dann nicht, ein Schaden ebenfalls nicht.

Wenn den beteiligten Unternehmern aber nicht bewusst ist, dass sie eine Leistung im Sinne von § 13 b UStG erbringen bzw. erhalten, wird es bei der nächsten Betriebsprüfung des Leistungsempfängers ein furchtbares Erwachen geben. Der Prüfer wird die nach § 13b geschuldete Umsatzsteuer fordern. Als Ausweg bietet sich die Rechungskorrektur an, die der leistende Unternehmer auf Bitten des Leistungsempfängers hoffentlich durchführt. Das ist zwar mühsam, aber der leistende Unternehmer erhält die von ihm abgeführte Umsatzsteuer vom Finanzamt zurück und kann sie dann an den Leistungsempfänger weiterleiten. Der kann dann seine Umsatzsteuerschuld gem. § 13 b UStG begleichen. Das kann ggf. durch direkte Abtretung an das Finanzamt des Leistungsempfängers geschehen. Die 6%ige Verzinsung der zu spät abgeführten Umsatzsteuerschuld des Leistungsempfängers wird auf jeden Fall fällig, es sei denn, das Finanzamt gewährt auf Antrag einen Erlass.

Wenn der ehemals leistende Unternehmer jedoch nicht mehr existiert oder im Ausland verschwunden ist, entfällt die Möglichkeit der oben dargestellten Rechnungsberichtigung. In diesen Fällen muss der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer zuzüglich Zinsen aus seinem Vermögen leisten. Das kann unter Umständen in die Zahlungsunfähigkeit führen.

Um eine solche furchtbare Falle zu vermeiden, sollten Sie bereits beim geringsten Zweifel darüber, ob es sich bei einer Lieferung oder Leistung um einen §13 b Fall handelt, so fakturieren, als wäre es ein § 13 b Fall. Gemäß UStAE 13b.1. Tz 23 wird dies in den dort bezeichneten Fällen von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, selbst wenn sich herausstellen sollte, dass der Sachverhalt der Umkehr der Steuerschuldnerschaft nicht gegeben ist.

Zumindest aber sollten Sie im Zweifel Ihren Steuerberater diesbezüglich ansprechen. Wenn die Angelegenheit dennoch „schief läuft“, tritt im Zweifel die Versicherung des Beraters für den Ihnen entstandenen Schaden ein.